Kamin im mon ami

Foto: Michael Paech

Der Kamin im mon ami Weimar

Aus ihm traten Weihnachtselfen, auf seinem Sims galoppierten fliehende Pferde oder kopulierten Gruppierungen von Barbiepuppen. Derweil wanderte er durch das Haus und wärmt es zum heutigen Tag – ganz ohne Brennstoff

// Es war im Jahr 1999, in Weimar war Kulturstadtjahr und zu Beginn dieses Jahres wurde auch das mon ami nach zweijähriger Grundsanierung feierlich als Jugend- und Kulturzentrum wiedereröffnet. Die Öffentlichkeit kam und war zuerst einmal tief enttäuscht. Kronleuchter in Form von Ufos, Stahlemporen, riesige Tresen, Noppenfußböden, Chrom und Glas und Protz. Man munkelte, es sei doch eher ein Spielcasino geplant worden denn ein Kulturzentrum. Und während des Kulturstadtjahres gab es dann ganz wichtige EU-Ministerkonferenzen und oft standen 50 schwere blitzende Limousinen vor der frisch sanierten Fassade und die Menschen aus Weimar wendeten sich ab von dem Haus, das doch eigentlich großer soziokultureller Freund werden sollte.

Aber im gleichen Jahr kam für ein Zirkus-Projekt auch ein Kamin ins Haus, ein Requisit aus dem Theater, welches nicht mehr benötigt wurde. Und dieser Kamin blieb über die Jahrzehnte und wärmt das Haus bis zum heutigen Tag. Der Raum, in welchem er stand, wurde oft das Kaminzimmer genannt und dann wurde verblüfft festgestellt, dass der Kamin auf einmal ganz woanders auftauchte.

In unzähligen Veranstaltungen war der Kamin schmückendes Bühnenbild und nicht nur einmal traten aus dem Kamin Weihnachtselfen auf oder es wurden grausame Hexen in denselben gestoßen. Verschiedene Generationen von Lichttechnikern entwickelten Szenarien, die im Kamin prasselnden Feuerschein vorgaukelten und auf dem Sims desselben galoppierten fliehende Pferde oder kopulierten Gruppierungen von Barbiepuppen. Der Kamin war oft auch Raumteiler und Sichtschutz und ist immer wieder auf den youtube-Kanälen vieler KünstlerInnen als stummer Begleiter im Hintergrund weltweit zu betrachten. Möge seine soziokulturelle Bühnenkarriere noch viele Jahrzehnte überdauern …

www.monami-weimar.de

Text: Helfried Schmidt (Künstlerischer Leiter des mon ami)